Schlagwort: Abschalten

Eine kleine Auszeit

08 Jun 19
Ivonne-Rebecca Schreier
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Friedlich! Das ist das erste Wort, dass mir einfällt. Friedlich.

Ich sitze mit meinem Mann am Boisdorfer See und lasse die Stille auf mich wirken, nachdem ich die letzten drei Stunden mit meiner Freundin Marion Insekten und Pflanzen bestimmt, kartiert und Fotografiert habe. Friedlich!

Was viele Menschen, die ich kenne, nur als Zeitverschwendung und sinnlose Arbeit bezeichnen, ist für mich die ultimative Freiheit geworden. Draussen sein! Mich ganz der Umgebung hingeben. Auch mal stundenlang an einer Wiese stehen und einfach nur jede Blume, jedes Insekt und jeden Grashalm genauer unter die Lupe nehmen.

In den letzten drei Stunden habe ich meine Insektenführung in der Wildblumenwiese vorbereitet und konnte völlig frei von jeglichen Verpflichtungen die Zeit genießen und alles in Ruhe betrachten. Und ich habe einen Menschen bei mir gehabt, der genauso verrückt ist wie ich und unter jedes Blatt geschaut hat. Das machte es zu etwas besonderen. Und man sieht viel mehr. Ich entdeckte so ziemlich jeden Käfer, während Marion auch der kleinste Schmetterling nicht entging.

3 Stunden nichts anderes als eine Wildblumenwiese untersuchen. Wie lange hatte ich mir diese Qualitätszeit nicht mehr genommen? Leider viel zu lange. Ihr wisst es selber, zwischen Arbeit, Alltag und Hektik ist nicht mehr viel Zeit für so einen Luxus. Doch ich empfehle jedem von euch, versucht es mal. Nehmt euch ein kleines Stück Natur und untersucht es aufs genauste. Ihr werdet schnell merken, dass euer Chaos im Kopf, die ganzen Termine und Verpflichtungen unwichtig werden. Und man sich über jede neue Pflanze, jedes noch so kleine neu entdeckte Insekt wie ein Kind freut und den Kopf leer kriegt.

Mein favorisiertes Gebiet hierfür ist das Kerpener Marienfeld ein renaturierter Tagebau der RWE. Ich werde mich hier weder Pro noch Kontra Braunkohleabbau äußern, dass muss jeder für sich selbst entscheiden, aber das Gebiet eignet sich hervorragend, weil sich hier auf einem vergleichsweise kleinen Gebiet die unterschiedlichsten Ökoräume findet.

Also Marienfeld. Schon auf dem Parkplatz sieht man viele unterschiedliche Bäume, Sträucher und Blühpflanzen. Die erste Station meiner Führung besticht durch ein enormes Aufkommen an vielblättrigen Lupinen und Hopfenklee. Gepaart mit einem hohen Aufkommen an Bodenspinnen und Ameisen. Süßgräser trennen den Parkplatz von der Baumgrenze.

Auf dem Weg zum zweiten Standort kam ich an mehr als zwanzig verschiedenen Süßgräsern vorbei. Brenneseln und Kletterwicken sind hier eher in der Unterzahl ganz im Gegensatz zum typischen Kerpener Stadtgebiet / Wald. Zur Krötenwanderung im letzten Jahr wimmelte der ganze Boden von kleinen Kröten, in diesem Jahr war es leider noch zu früh. Genauso selten wie Brennesseln sah ich die typischen Anzeiger für verdichteten Siedlungsraum wie Löwenzahn und Gänseblumen.

Am dritten Standort konnte man sehr schön die Problematik der durch den Menschen verursachten Bodenveränderung in diesem Gebiet betrachten. Gegenüber von der Wiese werden Felder landwirtschaftlich genutzt. Während der Rhabarber in der Mitte des Feldes meterhoch wuchs, konnte man am Feldrand die Bodenveränderungen anhand von abgeschwemmten und durch Trockenplatten verdichtetem Boden erkennen.

Die Blühwiese wiederum erfüllte voll ihrem Namen. Margeriten, Gräser in Hülle und Fülle, Wicken, Kornblütengewäche, Hahnenfußgewächse und Käfer über Käfer. Die Schmetterlinge der vierten Station waren leider wetterbedingt kaum zu sehen, dafür konnten wir die frisch geschlüpften Libellen an der fünften Station wunderbar betrachten. Sowie auch tausende von geschlüpften Eintagsfliegen.

Alles in allem war es ein wundervoller, produktiver Tag. Probiert es mal aus. Ladet euch eine Bestimmungsapp auf euer Handy, bewaffnet euch mit einer 10-fach Lupe und Fotoapparat und dann raus und genießen.

Kurztrip in den Westerwald

08 Mai 19
Ivonne-Rebecca Schreier
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Am Wochenende fuhren wir in einen, von mir völlig zu unrecht, außer Acht gelassenen Naturraum. Nah bei Köln brauchten wir nur eine Stunde bis zum Ziel. Aus Rücksicht auf meine Bandscheibe haben wir uns in einem Hotel eingebucht. Da wir jedoch erst zwei Stunden nach unserer Ankunft einchecken konnten, nutzten wir die Zeit und erkundeten die nähere Umgebung. Was soll ich sagen. Ich stellte schnell fest, dass ich den Westerwald zu unrecht als uninteressant eingestuft hatte.

In unmittelbarer Nähe zum Hotel, in Oberlahr an der Wied, fand sich ein natürlicher, frei mäandrierender, herrlicher kleiner Bachlauf dem wir einfach folgen mussten. Das Wasser strahlte traumhaft klar, die Ufer waren überwuchert mit Moosen, Gräsern und Farnen, einfach eine Kulisse zum träumen und verweilen. Um dem Bachlauf zu folgen mussten wir an einigen Stellen schwer improvisieren um an den Feuchtwiesen entlang zu kommen, doch ich finde, der Weg hat sich gelohnt.

Leider wurde es nun Zeit zum Hotel zurück zu kehren, doch es war klar, dass es nicht lange dauern würde bis wir wieder draußen wären. Im Hotel statteten wir uns mit einer Wanderkarte der Umgebung aus und zogen los. Die ersten fünf Kilometer wanderten wir auf dem Westerwaldsteig. Diesen Empfang ich zeitweise als sehr mühselig, war er doch komplett mit Schotter ausgearbeitet und nicht angenehm zu begehen. Doch nachdem wir den Ort hinter uns gelassen hatten wandelte sich auch der Weg vom gut ausgebautem Wanderweg in einen natürlichen, breiteren Trampelpfad. Das war ganz nach unserem Geschmack.

Drei Stunden und 12 km später ließen wir unsere Eindrücke vom Tag sacken. Wir hatten viel wilde Natur, Quellen, Flüsse und Wildwiesen gesehen und waren begeistert. So dicht am Ballungsraum haben wir uns nicht diese Fülle an unberührter, unbearbeiteter Natur vorgestellt. Wir waren im Endeckerfieber!

Der nächste Tag führte uns trotz Schnee und Hagel ins Grenzbachtal, einem naturschutzfachlichem und wasserwirtschaftlichem Modellprojekt der Verbandsgemeinde Flammersfeld. Vom Wanderparkplatz muss man leider durch eine Wochenendhaussiedlung, die das landschaftliche Bild ein wenig störte, wurde jedoch mit wilden, steilen, unebenen und verwurzelten Pfaden belohnt. Der Weg war leicht zu meistern, einige An- und Abstiege mussten jedoch sehr vorsichtig begangen werden. Auch hier verliefen viele, natürliche Bachläufe, viel Totholz begleitete den Weg und man konnte deutlich die Änderung der Waldnutzung von Regionsuntypischen Fichtenwäldern auf Regionstypischen Laubwäldern erkennen. Durch den Wandel erstrahlt dieses Gebiet als bunter Mischwald mit vielen Lichtungen und Artenreichtum.

Der nächste Halt bei Reichenstein enttäuschte. Ursprünglich wollten wir die Burgruine besichtigen, diese ist jedoch in Privatbesitz und nicht zugängig. Die Umgebung war hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt und so fuhren wir recht schnell weiter an der Wied entlang. Nach einigen Hagelschauern und Gewittern genossen wir die Fahrt und hielten spontan an der ein oder anderen schönen Stelle. Leider wurde es auch langsam wieder Zeit ins Hotel zurückzukehren, doch dieser Tag war herrlich anders, ungeplant und entspannend.

Am nächste Morgen war ich schon etwas schwermütig und wollte nicht nach Hause. Der Ausblick aus dem Fenster war ein Traum an den ich mich gewöhnen könnte, der permanente Autobahnlärm, der uns zu Hause begleitet, fehlte komplett und ich begann mich wirklich zu entspannen. Aber es half nichts. Zum Abschluss jedoch wollten wir uns noch einmal belohnen und gingen wieder zu dem kleinem Flusslauf vom ersten Tag. Diesmal folgten wir ihm ein ganzes Stückchen mehr, Kletterpartien durch umgestürtzte Bäume inklusive und am Ende des Spaziergangs hatten wir uns dann doch damit ausgesöhnt wieder Heim zu müssen. Damit steht es für uns fest, in den Westerwald wollen/müssen wir wieder hin. Für Tagesausflüge, zum Wildniswandern oder auch einfach zum Entspannen eignet sich das Gebiet ideal.