Totholz – weil der Wald es braucht!

Das sieht aber Scheiße aus! Warum liegen hier so viel tote Bäume rum? Kann man das nicht wegräumen?

In vielen Naturschutzgebieten in Deutschland findet sich, eine so ganz untypische, Unordnung. Viele hinterlassene Baumwurzeln, heruntergefallene Äste und zum Teil auch ganze Bäume liegen kreuz und quer im Wald herum. In einer Gesellschaft, in der Ordnung das halbe Leben darstellt, zieht diese Unordnung oftmals das Stirnrunzeln der Besucher auf sich. Auch auf meinen Führungen werde ich oft gefragt, ob es nicht viel sinnvoller wäre, diese „Stolperfallen“ wegzuräumen und ob diese nicht gefährlich für Mensch und Tier wären. Wenn ich dann noch lose Äste in den Baumkronen zeige, kommt oftmals Entrüstung ins Spiel. Zu oft hat man in den letzten Jahren von Unfällen gehört, bei denen heruntergefallene Äste und entwurzelte Bäume eine große Rolle spielten.

Gerne erkläre ich dann, dass ihre Befürchtungen zum Teil berechtigt sind. Ja, es ist gefährlich, vor allem im Sturm. Ja, die losen Äste können herunterstürzen und Schaden anrichten. Aber: Nein, für die Tiere ist es nicht gefährlich, sind sie doch Ideal an das Leben im Wald angepasst. Im Gegenteil, für die Tiere und den Wald ist gerade diese vermeintliche Unordnung wichtig, wenn nicht gar überlebenswichtig. Gerne verweise ich an dieser Stelle auch auf die Beschilderung an den Waldrändern, die auf das Betreten des Waldes auf eigene Gefahr hinweisen. Mit ein wenig Sensibilität für die Umgebung lässt sich das Risiko minimieren und führt gleichzeitig dazu, dass wir mehr von der Umgebung wahrnehmen. Selbstverständlich sollte man nicht im Sturm in den Wald gehen und wenn es nicht vermeidbar ist auf die Bäume und losen Äste in den Baumkronen achten.

Doch warum ist dieses Totholz eigentlich so wichtig für den Wald und seine Bewohner? Betrachten wir doch mal den natürlichen Zyklus eines Waldes. Junge Bäume siedeln sich an Freiflächen an. Diese werden Älter und vermehren sich. Hierdurch entsteht eine Mischung aus jungen und älteren Bäumen. In der Regel sterben die ältesten Bäume und hinterlassen wieder Freiflächen. Der verstorbene Baum verbleibt als Totholz im Wald. Hierdurch bietet er Vögeln und kleineren Säugetieren Unterschlupf und Nahrung durch Insekten, die wiederum das Holz als Lebens- und Nahrungsraum nutzen.

Es speichert Wasser und CO² , ist also wichtig zum Schutz gegen Dürren und Klimaschützer. Moose, Flechten und Jungpflanzen finden auf den Hölzern einen idealen Nährboden. Von seinen Bewohnern wird das Holz letztlich vollständig zersetzt und als Nährstoffe dem Waldboden zugeführt.

Ein überwucherter alter Baumstumpf in unterschiedlichen Phasen der Zersetzung

Diese natürlichen Kreisläufe des Waldes hat der Mensch vor langer Zeit unterbrochen, zum Teil aus wirtschaftlichen Interessen und auch zum Schutz von Waldbesuchern. Der Wald benötigt jedoch genau diese Prozesse um weiterhin einen nährstoffreichen Boden erhalten zu können. Nur so kann der Wald weiterhin vielen Bewohnern Lebens- und Nahrungsraum bieten und für den Menschen wirtschaftlichen Nutzen bringen. Stört man diese Prozesse wird die Bodenqualität und damit auch die Waldqualität nachlassen.

Bewucherter und ausgehöhlter Stamm

Deutlich erkennt man heute ein umdenken. Nicht nur in Naturschutzwäldern sondern auch in Wirtschaftswäldern finden sich wieder vermehrt Tothölzer. Mal in Form von stehengelassenen Baumstümpfen, heruntergefallenen Ästen, Baumkronen und ganzen Bäumen. Diese kleinen Biotope, die Lebensraum, Nährstoffquelle, Wasserspeicher und Klimaschützer zugleich sind, bilden auch eine wichtige Rolle für die Artenvielfalt im Wald. Viele Insekten, die auf diesen Lebensraum angewiesen sind, bieten die Nahrungsquelle für andere Insekten, Vögel und Säugetiere.

Reste eines Baumstumpfes in der letzten Zersetzungsphase. Deutlich erkennbar die Bodenbildung

Deshalb ist Unordnung im Wald so wichtig. Nur ein unordentlicher Wald hat die Möglichkeit ein gesunder, Artenreicher Wald zu sein. Findet es selbst heraus und untersucht auf eurem nächsten Spaziergang mal ein herumliegendes Stück Holz. Ihr findet viele kleine Löcher, eingefressene Laufwege, Hohlräume und Zersetzungsprozesse.

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